Magisch zieht es mich auf den Cruce Quetenas, von der Lagunen Route gen Nord Osten über den Salar de Chalviri und auf herrlichem Wellblech, Sand und Schotter in einem langen Tag nach Quetena Chico. Fast zu schnell für die schöne Landschaft aber ich werde ja diese Strecke etwas endschleunigt wieder retour kommen. Wie es über den Pass (4730m) geht, öffnet sich ein urig, traumhaftes Tal. Mein Begehren vor Augen im Abendrot ist hoffentlich den Umweg wert - ich ersuche um Audienz bei seiner Hoheit, dem Uturuncu.
Uturuncu bedeutet so viel wie Puma und das trifft es recht gut. Dieser Supervulkan liegt auf der Lauer. Zum einen zeugen die Fumarolen, am Sattel des Doppelgipfels, dass er nicht erloschen ist. Zum anderen haben Satellitenbeobachtungen gezeigt, dass sich seine Majestät in einem Radius von 70 km um bis zu 2 cm jährlich erhebt. Und kleinere Erdbeben bestätigen, der Puma ist auf dem Sprung ;-)
Doch bevor der Puma zum Sprung ansetzt, setze ich mich auf Annie! Am Uturuncu wurde bis Anfang der 90-iger eine Schwefelmine betrieben und hierfür eine der höchsten Strassen der Welt angelegt. Ich starte bei Sonnenaufgang und deutlich unter -10°C im "Basislager" Quetena Chico auf 4.160m. Die erste Stunde verbringe ich fast mehr mit Armkreisen und Zehengymnastik als mit Pedalieren aber ich komme trotzdem gut voran. Die aufgehende Sonne, meine steigende Höhe, der aufkommende Wind und die körperliche Belastung halten die Temperaturen auf einem ausgeglichenen Niveau. So geht es fahrbar bis zum ersten grossen Schneefeld auf 5.465m - das ist mal eben etwas höher wie der Thorung La (5416m) am Annapurna Circuit in Nepal, wo ich die letzten 1.200 Höhenmeter schieben durfte. Diese Höhe, ist hier pedalierend recht gut erreichbar. Doch ab da um diese Jahreszeit nur mehr 50% für mich fahrbar, Schnee, sehr weicher Sand am grossen und kleinen Schwefelfeld sowie Geröll in der Querung dazwischen unterbrechen das Pedalieren immer wieder bei dieser dünnen Luft. Der Sauerstoffpartialdruck beträgt hier nur mehr die Hälfte des Wertes auf Meereshöhe. Doch die letzten paar hundert Meter sind wieder gut fahrbar bis zum Sattel. Ein episches Gefühl, auf 5.770m pedalierend dem Höhenrausch so nahe zu sein.
Bis zum Sattel waren es 5 Stunden Fahrzeit und über 8 Stunden Gesamtzeit. Ich brauchte gut eine Stunde länger als geplant für Kalorienkonsum, Wasseraufnahme, Landschaft bestaunen und hyperventilieren. Trotz nurmehr guter 3 Stunden Tageslicht, entschliesse ich mich für den Summit. Ich lasse Annie zurück und es geht zu Fuss in einer guten Stunde bis auf 6008m und retour.
Mein erster 6000-er :-)
Fazit: Epischer Tagestrip bis auf 6000! Bucketlist? Uturuncu - Done!!! Aber schon eine sehr windige Angelegenheit ;-)
Doch das Gipfelglück ist immer nur der Halbe Weg! Zurück bei Annie, haben wir noch 2 Stunden bis Sonnenuntergang für die 30km Talfahrt. Frei nach Hildegard Knef "von nun an gings bergab", so ging es auch für Annie und mich nur noch bergab! Ich lasse es laufen - sehr nah am Limit! Nur ein paar Stopps für Fotos und Fingergymnastik zur Entkrampfung. Und immer wieder der Gedankekreisel: krass - Uturuncu an einem Tag! - Das bist du eben alles hinauf geradelt? - Sachte machen, noch bist du nicht wieder heil unten angekommen! - Krass...
Bei Dämmerung erreiche ich die letzte Flussdurchquerung kurz vorm Ort und versinke knietief im Wasser aber nix weiter passiert ausser nasser Füsse. Heut morgen war diese Furt gefroren befahrbar, doch nun zum Tauchgang mutiert. Warme Dusche, Essen und ab ins Traumland - Nicht Schäfchen, sondern Pumas zählen ;-)
Der Rest ist schnell erzählt, obwohl es eher der Gang nach Canossa war. Am nächsten Morgen ging es den Cruce Quetenas retour, wieder durch dieses wunderschöne Tal aber den 4700-er Pass vor Augen. Erst hier spüre ich, welch Kraftakt der Uturuncu für mich war. Die Batterien sind leer und etwas Wind und Steigung zwingen mich für 3 Stunden zum Schieben. Ich bewege mich so in Zeitlupe, dass sich selbst die scheuen Viscachas (Chinchillas) nicht an mir stören. Erschöpft sitze ich bei Sonnenuntergang im Zelt und blicke andächtig zu seiner Majestät, dem Uturuncu hinauf - Danke der Gewährung einer Audienz! Am nächsten Tag, keine Besserung in Sicht. Am zeitigen Vormittag sendet Aiolos sein Zephyros mir entgegen und der Sandkasten beim Salar de Chalviri wird diesmal zur echten Challenge. Was mich der Uturuncu zuvor schier magisch in einem Tag angezogen hatte, kämpfe ich mich nun in zwei Tagen retour. Das Thermalbad am Abend tut diesmal doppelt so gut! Etwas regeneriert starte ich am Morgen gen San Pedro de Atacama. Wie ich bei reichlich Verkehr und dem entsprechend Lungen voller Staub die Desierto de Salvador Dali durchquere und den Pass zur Laguna Verde vor mir habe, hält ein von "Höherem" gesandter Jeep und bittet mich um Begleitung für die nächsten 20km - ich nehme dankend an! Wie er beim Ausladen Annies Seele aus Bamboo entdeckt, freut er sich doppelt so sehr, dass ich ihm Gesellschaft geleistet habe ;-) So ging es nur mehr etwas sandiges Wellblech aufi, bis zur Grenze und ich küsse wohl wie jeder Radler nach der Lagunen Route den chilenischen Asphalt. Noch ein letzter Anstieg und es geht von über 4.600m in einem Ritt von 40km runter nach San Pedro de Atacama auf 2450m. Ein Lobgesang der Gravitation - auch auf Asphalt! ziemlich fertig aber glücklich lande ich bei meinem Kumpel Andrej und werde mit Pizza begrüsst. Perfekt um die Batterien wieder aufzufüllen. Ich bin so dankbar darüber, eine Audienz bei seiner Hoheit, dem Uturuncu gewährt bekommmen zu haben und so erschöpft aber glücklich, gibt's wohl erstmal Urlaub vom Urlaub hier ;-)