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Okarito – Pass Zwang und Sanatorium

Wie ich Christchurch in Richtung Zenturm der Südinsel verlasse schlug erst mal Murphy's Law zu!

Ich hatte kurz hinter einander 2 Platten! Der erste Platten war ein defektes Ventil, wo ich erst mal drauf kommen musste. Ich hinterfragte zuerst meine „glorreiche Idee“ des Felgen- Schlauch- Reifen Wechsels und untersuchte mehrfach den eventuell zu kleinen Schlauch. Wie ich jedoch den Defekt am Ventil lokalisierte, waren alle Zweifel wieder verflogen. Das kann mit jeder Felgen- Schlauch- Reifen Kombination passieren. Der Zweite Platten kurz darauf war eine gemeine, große, spitze scharfe, böse Scherbe. Glasscherben auf der Straße sind so schreckliche Folgen der „urbanen Zivilisation“…

Beim „entspannten“ Schlauchwechseln und Flicken hatte ich jedoch reichlich Zeit über meine geplante Route und die Wetterverhältnisse nach zu denken. Der Anhaltende Regen auf der Südseite konnte für mich nur Sonne auf der Westseite der Insel bedeuten! Und da ich ja schon am halbem Weg in Richtung Porters Pass und Arthur's Pass war, überkam mich der „Pass Zwang mit Sonne am Horizont“. Porters Pass und Arthur's Pass auf der B73 – die Höchste Passstraße Neuseelands – das war es, was ich jetzt brauchte ;-) Kaum über den ersten Pass gekommen, verflog der Nebel und die Sonne durchbrach die Wolken. Was für ein schönes Gefühl - im Trockenem zu Schwitzen!? Das Bergpanorama dort oben ist fantastisch im Kitsch-Postkarten Stil gehalten und lädt permanent zum verweilen ein. Auf einem DOC Camping sind meine Zeltnachbarn sehr nette Leute aus Christchurch, die mit Kind und Kegel hier her zum Berg radeln flüchten. Ritchie baut selber seit Jahren Vollgefederte MTB – Carbon Rahmen und wir kommen schnell ins Gespräch. Er hatte von mir in Christchurch schon gehört und so freuen wir uns, uns hier oben getroffen zu haben. Wir unterhalten uns über Radrouten, Fahrradgeschäfte und das Wetter in den Bergen der Südinsel. Da ich das Wetter in den Bergen wesentlich kälter und wechselhafter eingeschätzt hatte, sortierte ich meine Sachen erneut und gab der Familie gute 5 kg Sachen und Ersatzteile mit zurück nach Christchurch auf den Weg. Nun hoffe ich sie und meine Sachen am Rückweg wieder zu treffen ;-)

In der Abfahrt vom Arthur's Pass werde ich mir positiv meiner Entscheidung, die Route an der Westküste entgegengesetzt zu fahren, bewusst – 16% Gefälle über mindestens 3km auf enger windiger Bergstraße inklusive Viadukt. Ich beschleunige dank Gravitation mehrmals und länger über 70 km/h „Cruise - Annie Starda - Missile“ was für eine Gaudi!

Im Auslauf des Tales, am Weg zum Meer, biege ich in die Old Christchurch Road ein und erkunde den West Coast Wilderness Trail – Traumhaft angelegter, gemütlich und leicht zu fahrender Radwanderweg durch Urwälder, an Kanälen entlang und über Berg und tiefe Täler. Diese Ausgezeichneten Trails entspringen den Gedanken der Kennett Brüder, die mit Hilfen von mehreren Millionen $ des NZ Transportation Agency in den letzten Jahren geschaffen wurden.

Nach diesem herrlichen Ausflug in die Wildnis mache ich meine nötigen Proviant Besorgungen in Hokitika um die Westküste hinunter zu touren und Annie bekam noch Zahnersatz und eine neue Kette und dann machten wir uns auf den Weg.

Doch kam es anders wie geplant, denn Murphy, mein treuer Begleiter, sollte wieder mal die Planung übernehmen :-) Bei einem ungeschicktem „Umfaller“ vor ein paar Tagen, haute ich mir unglücklich die rechte Schulter ein. Das war beim Fahren und tagsüber nicht tragisch, nur des Nachts konnte ich nicht wie gewohnt auf meiner Schokoladenseite liegen. So versuchte ich es dann mal spiegle gleich auf der anderen Seite zu schlafen. Dabei habe ich mich jedoch so verlegen, das mir die rechte Schulter samt Arm und Hand so tief einschliefen, das sie noch den gesamten Tag darauf halb taub waren. So kam ich auf die Glorreiche Idee, auf dem Rücken liegen sei die Lösung für erholsame Nächte – Was für eine verfluchte Idee!!! Wie ich es endlich schaffte, eine ganze Nacht durch am Rücken zu liegend, schnarchte ich somit die ganze Nacht auch hindurch und wurde mit solch Halsschmerzen munter, dass ich am nächstem Morgen weder sprechen noch schlucken konnte. Mit Honigtee und Zuversicht wurde es jedoch im Laufe des Vormittags nicht großartig besser und ich machte mich auf den Weg nach Hari Hari (was für ein lustiger Ortsname), wo es einen General Store hatte. Wie ich dort dabei war, die gesamte Produkt Palette von Wick VapoRub & Co. auf zu kaufen, meinte eine Radreisende Dame hinter mir: „Und nimm noch die Ibuprofen, die sind besser wie die Paracetamol.“ Ich fragte: „Hypochonder?“ und sie sagte: „Nein, Ärztin – Psychologin!“ Nach den Tabletten und Handauflegen mit Beschwörung ging es mir auch schon deutlich besser – Dank an dieser Stelle für die sehr nette Unterhaltung :-)

Ich überlegte nun, wie weiter... Verpflegung hatte ich genug und nun sollte ein schönes Plätzchen zum Auskurieren her – Okarito? Okarito! Das war zwar noch gute 50 km entfernt und es war schon spät am Nachmittage, doch ich stellte es mir bezaubernd und idyllisch vor. Und so ist es auch!!! 30 Einwohner und Zeltplatz mit Warmer Dusche und gemütlicher Küchenhütte mit Sofa und umgeben von Palmen direkt am Strand. Ein besseres Sanatorium konnte ich mir wirklich nicht wünschen. So verbrachte ich die folgenden Tage den größten Teil der Zeit mit schlafen im Zelt oder mit lesen am idyllischem Sofa in der Gemeinschaftshütte und mit ruhigen, romanischen Spaziergängen in der Bucht und am Strand und eine kostenlose Flugshow gab es auch noch oben drein. Für mein Zelt hatte ich ein schönes Plätzchen mit Schatten bis 10:30 Uhr und ab 16:30 Uhr. Lustig waren noch meine Wege am Zeltplatz und im Ort. Ich hatte, trotz Sonnenschein und 25 Grad, lange warme Sachen mit Kapuze und Mütze an, um mich auszuschwitzen. Alle neu ankommenden Autos/Camper hielten sofort an und fragten, ob ich so eingemummelt wegen der vielen Sandfliegen sei und wollten schon gleich wieder umdrehen und flüchten. Ich erklärte meine Verkleidung mit meiner Erkältung und attestierte, das es hier erstaunlich wenige Sandfliegen gebe und wunderschön sei :-)

Übertroffen wurde das ganze nur noch durch die ärztliche Versorgung vor Ort. Wie sich die Schluckbeschwerden (und die Ohrenschmerzen, die sich schnell seit Anfang der Erkältung dazugesellten) am 3. Morgen nicht besserten, sondern eher schlimmer wurden und das Wochenende vor der Tür stand, erkundigte ich mich im Ort beim Kajak Verleih nach den ärztlichen Versorgungsmöglichkeiten – Schreck lass nach! Nächste Apotheke 2 Stunden mit Auto und Ambulanz 1 Stunde mit Auto, wobei dies nur mit telefonisch vereinbartem Termin gehe, da Hochsaison und die Ambulanz 200 km Küstenabschnitt inklusive Berge und Gletscher bedient und am Wochenende wegen Halsschmerzen sowieso nicht! Meine Frage nach einem Arzt sprach sich jedoch in dem kleinem Nest so schnell herum, dass mich binnen einer Stunde gleich 2 Ärzte auf meinem Sofa konsultierten, da sie auch gerade auf Urlaub, hier im Paradies, waren. Beide bestätigten mir, das ich ohne Fieber und mit meiner Armada von Wick VapoRub & Co. in weiteren 5 Tagen wieder am Sattel bin. So wartete ich noch etwas ab und gönnte mir, als ich schon wieder etwas bei Kräften war, die lang ersehnte Kajak Tour in der größten naturbelassenen Lagune Neuseelands. Jeden Nachmittag der letzten Tage, spazierte ich Punkt 15:00 Uhr zum Bootsverleih und sinnierte bei Chailatte und hausgemachten Spiced Fruity Nut Loaf (warm und mit zerlassener Butter :-) wie schön es wohl da draußen am Wasser in der Lagune sei.

Ein echter Traum, hier in diesem kleinem Paradies! Und 21:00 pilgerte jeden Tag der halbe Zeltplatz zum Strand um Sonnenuntergang zu schauen. Das konnte man so gar nicht verpassen... So, nun bin ich aber wieder halbwegs bei Kräften und schwing mich wieder in den Sattel. Okarito war für mich ein ungeplanter Aufenthalt und eigentlich nicht auf meiner Route. Ich bin Dankbar hier gewesen zu sein. Ich durfte so viel Hilfe, Unterstützung und Zuspruch von Mitreisenden und Leuten vor Ort erleben und hatte viele nette und nicht nur oberflächliche Gespräche - interessante und erholsam Zeit war's!


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